Nach dem Siege der Arbeiterschaft über die Faschisten hatten sich nicht nur die politischen, sondern auch die wirtschaftlichen Machtverhältnisse verschoben. Die politische Gleichberechtigung wurde durch die Abschaffung der wirtschaftlichen Vorrechte ergänzt. Zahlreiche Großunternehmer, Besitzer von Banken, Fabriken, Handelshäusern usw. waren ins Ausland geflüchtet. Sie standen auf Seiten Francos, waren von dem bevorstehenden Militärputsch unterrichtet und wollten draußen das Ergebnis abwarten. Durch ihre Abwesenheit hatten sie sich das Recht verwirkt, an der Wirtschaftsrevolution teilzunehmen.

Als die Arbeiter nach Beendigung des Generalstreiks in die Betriebe zurückkehrten, nahmen sie die Arbeit unter neuen Bedingungen auf. Sie wählten auf Belegschaftsversammlungen eigene Betriebsleitungen. Die Fabrikkomitees führten die Betriebe unter Hinzuziehung aller hierzu erforderlichen technischen und kaufmännischen Fachleute weiter. Die Betriebe wurden kollektiviert. Unternehmer, die die neue Ordnung anerkannten, wurden als gleichberechtigte Belegschaftsmitglieder aufgenommen. Sie wurden an einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Platz gestellt. Nicht selten verblieben sie in der Betriebsleitung. Was im Anfang an Erfahrung fehlte, ersetzte die Initiative. In kurzer Zeit war das privatkapitalistische Wirtschaftssystem in eine Kollektivwirtschaft umgewandelt. Eine ökonomische Revolution hatte sich vollzogen.

Anatole France hat einmal gesagt, daß die Utopien für den Fortschritt der Menschheit von größtem Werte sind. Dieses Wort findet hier Anwendung. Seitens der Marxisten wurden die anarcho-syndikalistischen Ideen als utopisch hingestellt. Gerade diese Utopien waren es, die sich bei der Verwirklichung einer neuen Wirtschaftsordnung als bester Wegweiser erwiesen. Die spanischen Anarchosyndikalisten hatten sich schon vorher im Geiste ein ziemlich genaues Bild der neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung gemacht. Im Gegensatz zur Auffassung von Marx und Engels, nach welcher die „Expropriation der Expropriateure“ Sache des proletarischen Staates sei, verzichteten die spanischen Syndikalisten auf die Eroberung des Staates. Nach ihrer Auffassung sollte die Sozialisierung in den Werkstätten, auf den Feldern, in den Fabriken und Unternehmungen beginnen. Der Staat war nach ihrer Auffassung hierzu nicht erforderlich. Sein Eingreifen wurde als eine Belastung für die Wirtschaft und als gefährlich für die Freiheit betrachtet. Die Revolution sollte den Staat nicht stärken, sondern so schwächen, daß er außerstande war, die Sozialisierung zu verhindern. Diese Voraussetzung war nach dem Siege über die Faschisten geschaffen. Das Militär war besiegt, die Polizei neutralisiert und zum Teil durch Arbeiterkontrollpatrouillen ersetzt worden. Durch Schaffung der antifaschistischen Miliz hatten die Arbeiter eine eigene bewaffnete Macht zur Verteidigung der Revolution.

Die erste und wichtigste Aufgabe bestand jetzt in der Versorgung der Millionenstadt mit Lebensmitteln. Diese Aufgabe übernahm die Gewerkschaft der Nahrungsmittelindustrie. Vierzehn Tage lebte man in Barcelona ohne Geld. Die Bevölkerung wurde in öffentlichen Speisehallen von den Gewerkschaften gratis ausgespeist. Die Gewerkschaft der Lebensmittelindustrie kaufte die erforderlichen Lebensmittel ein und bezahlte mit Gutscheinen, die später vom antifaschistischen Milizkomitee eingelöst wurden. Laut Beschluß des Milizkomitees wurden die Streiktage als Arbeitstage bezahlt.

Der Wechsel in den Besitzverhältnissen vollzog sich ohne Betriebsstockungen. Nach kurzer Zeit stellten sich Schwierigkeiten bei der Rohstoffversorgung ein. Die Peseta war gefallen, wodurch eine Verteuerung der Rohstoffe aus dem Ausland eintrat. Die Waren wurden jedoch nicht verteuert, trotz einer allgemeinen Lohnerhöhung um 15 Prozent. Dagegen wurden die hohen Direktorengehälter und unproduktiven Ausgaben für Zwischenhändler abgeschafft. Diese Maßnahmen bedeuteten eine gerechtere Verteilung des Arbeitsproduktes.

Die Kollektivierung der Betriebe war der erste Schritt zur Sozialisierung der Wirtschaft. Der zweite Schritt bestand in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sämtlicher Betriebe innerhalb der Industriegewerkschaft. Die Gewerkschaften verwandelten sich in sozialisierte Industriekartelle.

Diese Neuordnung wirkte belebend auf die Wirtschaft. Die Kleingewerbetreibenden schlossen sich dem gewerkschaftlichen Produktionsverband an, wodurch sie vieler Sorgen enthoben waren. Sie hatten dadurch ein sicheres Einkommen. Unrentable Unternehmungen wurden niedergelegt oder mit anderen zusammengeschlossen. Es vollzog sich eine Rationalisierung der Wirtschaft nach sozialistischen Gesichtspunkten.

Die Kollektivierung erfaßte das Baugewerbe, die Metallindustrie, die Bäckereien und Schlächtereien, das Gastwirtgewerbe, die Kinos, das Friseurgewerbe usw. Auch alle Hotels und Gaststätten wurden kollektiviert. Die Unternehmer, Hotelbesitzer etc. schlossen sich halb gezwungen der Gewerkschaft an und erhielten von dieser ihren Lohn. Die Löhne der niederen Lohnklassen wurden erhöht, die großen Gehälter gekürzt. Unternehmergewinne, Dividenden, Tantiemen usw. gab es nicht mehr. Überschüsse wurden an die Gewerkschaftskasse abgeführt. Die Gewerkschaft unterstützte Unternehmungen, die vorübergehend in schwieriger Lage waren. Der Staat war an dieser Neuordnung nicht beteiligt. Es war eine wirtschaftliche, industrielle und soziale Revolution. Die Parteipolitik wurde in den Betrieben und sozialisierten Industrien nicht geduldet. Die Wirtschaft war von parasitären Fremdkörpern befreit.

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